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Musik im Geiste der Freimaurer

Die Welt der Freimaurerei hat zu allen Zeiten ihrer 300jährigen Geschichte Künstler aller Richtungen bewegt: Dichter schufen mit lebendigen Worten massgefertigte Werke, Komponisten kleideten sie in Tongewänder, Interpreten setzten sie ins Leben. Aus allen Epochen und Weltgegenden finden wir Vertreter, die zu diesem Kreis gehören: Goethe, Mozart und Liszt, aber auch Rudyard Kipling, Duke Ellington – oder Josephine Baker.

Manche dieser Dichtungen und Kompositionen wurden für den praktischen Gebrauch in den Logen geschaffen – sei es im rituellen Geschehen oder zur Unterhaltung beim geselligen Beisammensein. Viele andere Musikwerke – hauptsächlich geistliche, aber auch Opern, Volkslieder oder Jazz – liessen sich von freimaurerischen Idealen inspirieren. Auch wenn man es manchem Stück nicht direkt anhört: freimaurerische Spiritualität formt den Charakter des Werkes mit und findet im Werk ihren Ausdruck.

Mit dieser CD wollen wir einige dieser Stücke ins Gedächtnis zurückrufen: stammend aus drei Jahrhunderten, aus Deutschland, Österreich, Frankreich, England, Italien und Finnland zeugen sie vom zeit- und weltumspannenden Charakter dieser Kunst; ihre Sprachenvielfalt zeigt: sie sind vom Geist unserer Bruderkette geprägt. Die Aufnahme will den Zusammenhang von Musik und Freimaurerei aufzeigen und einen Eindruck vermitteln, wie die Musik dazu beitragen kann, die freimaurerischen Ideale in jedem Menschen zum Klingen zu bringen.

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TEXT 2

Alle Komponisten und mehrere Textdichter unserer CD waren Freimaurer:

Louis-Nicolas Clérambault, 1676-1749, Mitglied der Loge Coustos-Villeroy in Paris.
Die Kantate „Les Francs Masçons“, publiziert 1743, ist ein Plädoyer für die Freimaurerei, die schon in dieser frühen Zeit unserer Geschichte nach aussen wirken wollte.

Wolfgang Amadé Mozart, 1756-1791, Mitglied der Wiener Logen Zur Wohltätigkeit, Zur wahren Eintracht, Neugekrönte Hoffnung. Der Text von Franz Heinrich Ziegenhagen, 1753-1806, Mitglied der Loge Zu den drei Schlüsseln Regensburg, belegt die Verwandtschaft des aufklärerischen und masonischen Ideals im Gebot „Liebt Euch!“: die Prinzipien unserer Brüderkette sind betont, auch wenn der Text über die Maurerei hinausweist.

Johann Nepomuk Hummel, 1778-1837, und Johann Wolfgang von Goethe, 1749-1832, waren Logenbrüder der Loge Amalia in Weimar. Ihr gemeinsames Werk, die „Drey Gesänge von Göthe“ entstand in enger Zusammenarbeit zur Logenfeier aus Anlass des 50. Jahrestags des Regierungsantritts von Grossherzog Karl August, Mitglied bzw. Protektor der Amalia, am 3. September 1825. Die handschriftlichen Partituren fand Heinz Sichrovsky in der British Library in London. Nach der Wiederaufführung 2011 im Wiener Mozarthaus liegt hier die erste Einspielung dieses Feiertextes vor.

Musikalischer Höhepunkt der Erfolgsoper „Zar und Zimmermann“ von Albert Lortzing, 1801-1851, Mitglied der Loge Zur Beständigkeit und Eintracht in Aachen, später der Loge Balduin zur Linde in Leipzig, ist das Lied des Zaren. Auf die gleiche Melodie und in ähnlichem musikalischem Duktus schrieb Lortzing einen freimaurerischen Text: „Zwei Sterne hoch oben am himmlischen Zelt“.
Aus seinem Werk „Acht Lieder mit Begleitung des Klaviers componirt und der St. Joh:. Loge zum goldnen Rade im Or:. Zu Oßnabrück hochachtungsvoll gewidmet von BR:. A.G. LORTZING im Aprill des Jahres 5829“ bringen wir drei Lieder.

Franz Liszt, 1811-1886, Mitglied der Logen Zur Einigkeit Frankfurt, Zur Eintracht Berlin, Ehrenmitglied der Modestia cum Libertate, Zürich, lebte ab 1861 in Rom. Im Frühjahr 1862 vertonte er das grossartige Loblied von Francesco d’Assisi, „Cantico del sole e delle creature“, für Bariton, Klavier oder Orgel und einstimmigen Chor ad lib. Den ursprünglich umbrischen Dialekt der Dichtung vertonte Liszt in einem zeitgenössischen Italienisch. In späteren Jahren orchestrierte er das Werk, wir bieten hier die Originalfassung: seine aus den Kindheitstagen stammende Bindung an den Katholizismus findet Ausdruck in einem Werk, das weit aus der innerkirchlichen Sicht in eine freie Betrachtung der Schöpfung weist.

Der als Komponist komischer Opern berühmt gewordene Sir Arthur Seymore Sullivan, 1842-1900, Grand organist of the United Grand Lodge of England, schrieb eine Vielzahl von geistlichen Kompositionen, von denen einige – wie z.B. „Courage, Brother“ – noch heute sowohl im kirchlichen als auch im freimaurerischen Ritual Verwendung finden.

Die elf Lieder und Orgelstücke des Zyklus „Rituaalimusiiki“ op. 113 von Jean Sibelius (1865-1957, Mitglied der Suomi Lodge no. 1, Helsinki) und seines Logenbruders und wesentlichen Textdichters Samuli Sario (1874-1957) stammen von 1927 und 1946. Die Einheit des musikalischen Stils über den Zeitraum von fast 20 Jahren ist erstaunlich und zeugt von der Einheitlichkeit des spirituellen Gedankens und seiner musikalischen Umsetzung: die Aufforderung „Wandre Volk zu Deinem Ziele“ findet ihre Antwort im Ruf „Eilt zum Heimatlande hin“, das nicht als national geprägtes Geographikum, sondern als in der Ferne leuchtendes „Salem“ in der Vision des Seher aufscheint.

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TEXT 3

Schon in den ersten Freimaurerlogen vor 300 Jahren wurde gesungen. Das waren zunächst einfache Liedschöpfungen mit Melodien, die jeder mitsingen konnte. Entstanden aus freimaurerischer Geisteshaltung, besangen sie das brüderliche Miteinander in stimmungsvollen Kettenliedern oder schwärmten vom ideellen Tempelbau der Menschlichkeit. Es gab ebenso weihevolle Ritualmusik, wie lebensfrohe Trinklieder in symbolträchtigen Rhythmen, mit denen man bei Tafellogen das rituelle Zutrinken zelebrierte.
Die meisten dieser Lieder sind längst vergessen, und aus dem Mitsingen ist in den Logen das Mithören geworden. Tonträger haben Notenbuch und Chorgesang ersetzt, und nur noch selten steht die heutige freimaurerische Musikauswahl in der Tradition der Vorväter.
Dabei hat einiges davon kulturhistorische Bedeutung, vor allem durch das musikalische Niveau ihrer Verfasser. Umso erstaunlicher, dass manches von dem, was die Freimaurer Mozart, Liszt, Lortzing, Clérambault, Sibelius, Sullivan oder Hummel (und andere) für die Loge komponiert haben, sich erst jetzt wieder finden und neu entdecken lässt.
Auf die Spur freimaurerischer Kompositionen haben sich Schweizer Freimaurer um den Dirigenten und Pianisten Andres Joho und den Bariton Otto Georg Linsi begeben. Es wurde eine spannende Entdeckungsreise, denn es gelang, bisher unveröffentlichte Werke aus drei Jahrhunderten und sechs Ländern aufzuspüren, zu bearbeiten und einzuspielen. Mit viel Idealismus und Professionalität wurde eine Produktion realisiert, die es in dieser Form bisher noch nicht gab.

Jens Oberheide
Alt-Großmeister A.F.u.A.M. von Deutschland und ehemaliger Vorsitzender des freimaurerischen Künstlervereins PEGASUS

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TEXT 4

Wenn ein paar Seiten meines Buchs ein paar Saiten im Sinne der Königlichen Kunst zum Klingen gebracht haben, ist das eine Ehre und Freude. Wir vergessen oft, wo wir herkommen: nämlich von Künstlern (denn was wären Architekten und Bildhauer sonst?), die das Licht des besseren Wissens in die finstere Zeit des Mittelalters trugen. Solche Lichter können, in sich wieder verdunkelnden Zeiten, auch Musik und Literatur aufstecken. Deshalb wünsche ich dieser CD Verbreitung weit über den Bruderkreis hinaus.

Heinz Sichrovsky
Österreichischer Kulturjournalist und ORF-Moderator